Einführung
Walter Sack gehört zu den Fotokünstlern, die gegen den Strom schwimmen, da er mit seinen Kunstbildern keine Wirklichkeiten fixiert, sondern er inszeniert Bilder, gefundene wie selbst geschaffene Objekte nach künstlerischen Konzeptionen.
Er zeigt Gegenbilder auf, wie Licht und Dunkel, durch Farbe Wärme und Kälte, in dem er Prozesse in Gang setzt, die der Betrachter fortsetzen kann.
Seine Arbeiten sind ein Netzwerk seiner Philosophie, seines Denkens. Walter Sack überlässt nichts dem Zufall.
Er benutzt nicht wie ein Maler Farbe und Pinsel, sondern Farbfilter, die er bis ins Feinste manuell bei seinen Kundsthandvergrößerungen einsetzt, um genau die Farben und Helligkeiten zu erzielen, die seine Gedanken widerspiegeln.
Lange Zeit galt das Erfinden, das Inszenieren von Bildern als die Domäne der Bildenden Kunst, die für sich beanspruchte, Bilder zu schaffen, die aus dem Kopf des Künstlers stammen.
Der Photographie wurde dagegen unterstellt, sie habe sich auf das Fixieren der Wirklichkeit zu konzentrieren, sie zu dokumentieren oder den entscheidenden Augenblick einzufangen.Blicken wir auf die Kunstszene, so konstatieren wir eine völlige Vermischung tradierter Richtungen.
Es gibt Künstler, die in der Tradition der Geste Duchamps die Wirklichkeit nehmen, wie sie ist und das Gefundene in den Kunstkontext platzieren, es gibt andere, die sich nach wie vor auf die Malerei selbst konzentrieren wieder andere, die Wirklichkeit oder gar mittels Photographie fixierte Wirklichkeit abbilden.
Anderseits wird stets noch dokumentarisch photographiert, werden mit Hilfe von Photographie aber auch inszenierte Situationen fixiert, reflektiert so mancher Photographierende aber auch nichts anderes, als das Medium selbst.
Die junge Szene vollzieht diese Vermischung ganz selbstverständlich; für manchen Künstler ist die Beschäftigung mit Photographie neu, ebenso wie für manchen Photographen die künstlerische Konzeption.Für Walter Sack hat sich die Begegnung von Wirklichkeitsabbildung und Wirklichkeitsinszenierung ganz unbemerkt über viele Jahre vollzogen.
Wenn wir auf sein Werk zurückblicken verraten uns jedoch seine Landschaften, Details von Gestein, Natur und Erde das gleiche Interesse, wie seine späteren Inszenierungen im Atelier.
Obwohl er vom natürlichen Licht zum Kunstlicht wechselte, obwohl sich der Horizont von der Unendlichkeit des Landschaftspanoramas auf einen halben Quadratmeter Stein und Zement reduzierte, ist es faszinierend zu beobachten, wie sich die Bilder in ihren Strukturen, in ihrem Lichteinfall, in der Oberflächenbehandlung und Komposition immer wieder ähneln.
Da erinnert ein Sonnenreflex auf dem Wasser an Spiegelungen auf dem angefeuchteten Objekt (Bild 1 und 2) , da interessierte sich Walter Sack für das Licht auf dem schneebedeckten Berg in ähnlicher Weise, wie er es später auf kreisförmige Einritzungen auf glatter Zementoberfläche richtete (Bild 3 und 4).
Auch die vom Wind erzeugten Strömungen auf dem Wasser erzeugen Reflexe, die Vergleiche zu stoffartigen Faltungen nahe legen. Schließlich zeigt der frisch gepflügte Acker eine vom Licht gebrochene Oberfläche, die sich ebenfalls auf manchem Objekt wieder findet (Bild 5 und 6). Die einen Bilder wurden in den siebziger und achtziger Jahren gefunden, die anderen in den beiden Jahrzehnten danach im Atelier arrangiert.
Zunächst entwickelten sich die beiden Oeuvres unabhängig voneinander. Es bestand keineswegs die Absicht, gefundene Motive früherer Jahre nach zu empfinden. Doch stellte sich im Rückblick heraus, dass Walter Sacks Blick für Dinge sich nicht gewandelt hatte, dass er im Atelier Objekte baute und entsprechend ausleuchtete, die Bilder entstehen ließen, deren Verwandtschaft zum Frühwerk unübersehbar ist.
So wuchsen die gefundenen Bilder mit den inszenierten zusammen und präsentieren sich heute im Dialog. Damit ist das individuelle Werk von Walter Sack letztlich den Weg gegangen, den die Photographie insgesamt in den letzten dreißig Jahren beschritt. Die Grenzen zwischen photographischem Herangehen und künstlerischer Konzeption haben sich verwischt und vermengt.
Die Retrospektive von Walter Sack zeigt dies in besonders eindringlicher Weise.
Reinhold Mißelbbeck RM